Warum Affen keine Arthrose haben – und warum nicht nur Bewegung, sondern Beweglichkeit der Schlüssel zu gesunden Gelenken ist
Arthrose gilt als eine der häufigsten Zivilisationskrankheiten. Millionen Menschen weltweit leiden unter schmerzenden, steifen Gelenken – besonders im Knie, in der Hüfte oder in den Fingern. Die Diagnose „Arthrose“ wird oft als Schicksal akzeptiert, als eine Art natürlicher Verschleißprozess, der eben „zum Altern dazugehört“. Doch ist das wirklich so?
Ein faszinierender Vergleich zeigt: Affen in freier Wildbahn – unsere nächsten Verwandten – bekommen so gut wie keine Arthrose. Trotz intensiver körperlicher Nutzung ihrer Gelenke, trotz ständiger Bewegung in teils extremen Positionen, bleiben ihre Gelenke gesund und geschmeidig bis ins hohe Alter. Warum also leiden wir, während sie schmerzfrei durch den Dschungel turnen?
In diesem Artikel gehe ich dieser Frage auf den Grund und erkläre, warum nicht bloß Bewegung, sondern vor allem Beweglichkeit entscheidend für unsere Gelenkgesundheit ist.
Der Unterschied zwischen Mensch und Affe – ein Blick in die Evolution
Menschen und Affen teilen etwa 98 % ihres Erbguts. Trotzdem haben wir völlig unterschiedliche Lebensweisen – und das wirkt sich auf unseren Bewegungsapparat aus.
Affen bewegen sich den ganzen Tag: Sie klettern, hängen, springen, hocken, balancieren, drehen und beugen sich in unzählige Richtungen. Ihre Bewegungen sind natürlich, vielfältig und ganzheitlich.
Der moderne Mensch hingegen verbringt einen Großteil seines Tages sitzend: am Schreibtisch im Auto auf dem Sofa. Wer Seitenschläfer ist, verbringt auch seine Nächte in sitzender Stellung.
Wir bewegen uns meist nur noch in geraden Linien und begrenzten Winkeln – ein paar Schritte zum Kühlschrank, eine monotone Joggingrunde oder ein Besuch im Fitnessstudio mit standardisierten Bewegungsabläufen.
Affen in freier Wildbahn nutzen ihre Gelenke zu 100 Prozent – wir Menschen zu 15 Prozent. Dabei ist unser Bewegungsapparat dafür gemacht, in alle Richtungen zu arbeiten – zu beugen, zu strecken, zu rotieren, zu federn. Wenn wir das nicht tun, „rosten“ unsere Gelenke buchstäblich ein.
Arthrose – kein Verschleiß, sondern Anpassung
Die klassische Schulmedizin beschreibt Arthrose oft als „Abnutzung“ der Gelenke: Knorpel nutzt sich ab, Knochen reiben aufeinander, Schmerzen entstehen. Doch moderne Forschung zeigt:
Arthrose ist keine reine Abnutzungserscheinung – sie ist eine Anpassungsreaktion auf mangelnde und einseitige Belastung.
Unsere Gelenke leben von Bewegung. Jede Bewegung pumpt Nährstoffe in den Knorpel und transportiert Stoffwechselabfälle ab. Knorpel selbst besitzt keine Blutgefäße – er wird also nur durch Bewegung ernährt.
Bewegen wir uns zu wenig oder immer gleich, wird der Knorpel unterversorgt, verliert an Elastizität, und beginnt schließlich zu degenerieren.
Affen dagegen bewegen ihre Gelenke permanent in vollen Bewegungsradien – mal in tiefer Hocke, mal mit verdrehten Hüften, mal beim Klettern in Überstreckung. Dadurch bleibt ihr Knorpel ständig „in Schwung“, elastisch und gut ernährt.
Warum „Bewegung“ nicht gleich „Beweglichkeit“ ist
Viele Menschen sagen: „Ich bewege mich doch genug – ich gehe joggen oder fahre Rad.“
Doch Bewegung allein ist nicht gleich Beweglichkeit.
Bewegung bedeutet: Etwas tun, aktiv sein, sich fortbewegen.
Beweglichkeit bedeutet: Einen großen Bewegungsradius möglich machen – also in alle Richtungen flexibel, geschmeidig und stabil zu bleiben.
Man kann also sehr aktiv und gleichzeitig unbeweglich sein.
Ein Beispiel:
Ein Marathonläufer bewegt sich viel – aber meist nur in einer Linie. Seine Hüften rotieren kaum, seine Sprunggelenke arbeiten in engem Rahmen. Das führt langfristig zu einseitiger Belastung und zu Verklebungen im Bindegewebe.
Ein Affe dagegen nutzt jede Bewegung als Ganzkörpererfahrung: Beim Greifen arbeitet der Rumpf mit, beim Klettern schwingen Schultern, Hüfte und Wirbelsäule im harmonischen Zusammenspiel. Das ist funktionale Beweglichkeit – und sie schützt vor Arthrose.

Der Fluch des modernen Alltags: Sitzen als „neue Krankheit“
Unsere moderne Lebensweise ist der natürliche Feind der Beweglichkeit.
Wir sitzen im Büro, im Auto, beim Essen, beim Fernsehen. Der durchschnittliche Erwachsene verbringt mehr als 10 Stunden pro Tag sitzend.
Das Ergebnis:
- Hüftbeuger verkürzen,
- Gesäßmuskeln schlafen ein,
- die Wirbelsäule verliert ihre natürliche Schwingung,
- Gelenke werden einseitig belastet.
Ein Körper, der so „geformt“ wird, kann sich gar nicht mehr geschmeidig bewegen. Selbst wenn wir dann Sport treiben, bleibt die Bewegungsqualität eingeschränkt – weil der Körper verlernt hat, frei zu fließen.
Affen hingegen sitzen nie auf Stühlen. Wenn sie ruhen, tun sie das in einer tiefen Hocke – einer Haltung, die gleichzeitig Dehnung und Mobilisation bedeutet. Ihre Gelenke werden dadurch nie „fixiert“, sondern bleiben immer dynamisch aktiv.
Beweglichkeit als Grundlage für gesunde Gelenke
Beweglichkeit ist mehr als Dehnung. Es geht nicht nur darum, die Zehen zu berühren oder sich auf die Fersen setzten zu können.
Beweglichkeit ist:
- Koordination: Wie gut arbeitet dein Körper als Einheit?
- Stabilität: Kannst du dich in jeder Position sicher halten?
- Mobilität: Wie weit kannst du dich schmerzfrei bewegen?
Ein beweglicher Mensch hat elastische Muskeln, geschmeidige Faszien und stabile Gelenke, die sich in alle Richtungen anpassen können. Das sorgt für:
- bessere Durchblutung,
- gleichmäßige Belastung der Gelenke,
- gesunde Knorpelernährung,
- und langfristige Schmerzfreiheit.
Faszien – das geheime Netzwerk der Beweglichkeit
Ein wichtiger Schlüssel liegt im Faszialsystem – einem netzartigen Gewebe, das Muskeln, Knochen und Organe miteinander verbindet.
Wenn wir uns vielseitig bewegen, bleibt dieses Gewebe elastisch und gleitfähig. Wenn wir uns einseitig oder zu wenig bewegen, verklebt es – die Bewegung wird steif, eingeschränkt, schmerzhaft.
Faszien reagieren auf Druck, Zug und Rotation. Genau diese Impulse bekommen sie bei natürlicher Bewegung – beim Rollen, Drehen, Hangeln, Springen.
Affen stimulieren ihr Fasziennetz ständig. Wir dagegen verbringen Tage in statischen Positionen, in denen Faszien buchstäblich „verfilzen“. Das ist einer der Hauptgründe, warum sich Arthrose und Rückenschmerzen so verbreiten.
Schonen = Sterben
Viele glauben, man müsse Gelenke „schonen“, um sie zu schützen. Doch das Gegenteil ist wahr.
Use it or loose it – oder: Was du nicht nutzt, verlierst du.
Wenn Gelenke geschont werden, weil sie „schmerzen“ oder „abgenutzt“ sind, verlieren sie ihre Funktion noch schneller. Schonung bedeutet: weniger Durchblutung, weniger Nährstoffzufuhr, mehr Steifheit und Degeneration.
Gezielte und vielseitige Bewegung ist das beste Mittel, um Gelenke zu regenerieren.
Studien zeigen: Menschen mit beginnender Arthrose profitieren enorm von regelmäßigem, moderatem Training – insbesondere von Mobilitäts- und Kraftübungen in vollem Bewegungsradius.
Was wir von Affen lernen können
Affen leben im Rhythmus der Natur – und ihr Körper ist der beste Beweis für die Kraft natürlicher Bewegung.
Hier ein paar Prinzipien, die wir übernehmen können:
- Hocken statt Sitzen: Die tiefe Hocke (Squat) ist eine der besten natürlichen Positionen für Hüfte, Knie und Rücken. Sie dehnt Muskeln, mobilisiert Gelenke und fördert Verdauung und Durchblutung.
- Hängen und Klettern: Das Hängen (z. B. an einer Klimmzugstange) dekomprimiert die Wirbelsäule, stärkt Schultern und Griffkraft – und hält die Gelenke der oberen Extremitäten gesund.
- Rotationen und Spiralen: Drehbewegungen (z. B. in Tanz, Yoga, Kampfsport oder spielerischem Training) fördern die Ernährung der Gelenke und machen Faszien geschmeidig.
Warum die Engpassdehnungen nach Liebscher & Bracht unseren Alltag so effektiv ausgleichen
Während Affen ihren gesamten Bewegungsumfang täglich ausschöpfen, tun wir im Alltag genau das Gegenteil: Wir bewegen uns in einem winzigen Bruchteil unseres natürlichen Potenzials. Die Muskeln und Faszien passen sich an – sie verkürzen und verspannen sich in genau den Winkeln, die wir am häufigsten nutzen:
nach vorne gebeugt, sitzend, mit nach innen rotierten Schultern und starren Hüftwinkeln.
Das Konzept der Engpassdehnungen nach Liebscher & Bracht setzt genau hier an.
Diese speziellen Dehnübungen zielen darauf ab, den Körper wieder aus seinen einseitigen Haltungs- und Bewegungsmustern herauszuführen und die ursprüngliche Beweglichkeit der Gelenke zurückzugeben.
Jede Engpassdehnung kombiniert drei wesentliche Elemente:
- Aktive Dehnung – Muskeln und Faszien werden bewusst in die Länge gebracht, um Verkürzungen aufzulösen.
- Kräftigung in der Dehnung – Der Körper lernt, in den Endpositionen aktiv Stabilität aufzubauen.
- Bewusstheit und Atmung – Tiefe regelmäßige Atmung beruhigt das Nervensystem und vertieft die Dehnwirkung.
Dadurch werden nicht nur Muskeln, sondern auch Faszien gedehnt, Gelenke entlastet und Fehlspannungen gelöst, die durch ständiges Sitzen oder monotone Bewegungen entstehen. Das Prinzip ist dabei simpel, aber hochwirksam:
Wo Spannung abnimmt, kann Heilung beginnen.
Viele Gelenkschmerzen – auch bei Arthrose – entstehen, weil Muskeln das Gelenk dauerhaft in eine Art „Klammergriff“ nehmen. Die Engpassdehnungen lösen genau diese überhöhten Spannungen und geben dem Gelenk wieder Raum, sich zu regenerieren.
Regelmäßig ausgeführt, gleichen sie das aus, was unser Alltag zerstört: Sie öffnen Hüften, die durchs Sitzen steif geworden sind. Sie bringen Bewegung in Schultern, die von Computerarbeit verkrampft sind. Sie mobilisieren die Wirbelsäule, die durch Fehlhaltung starr geworden ist.
Im Gegensatz zu passivem Stretching wirken Engpassdehnungen aktiv von innen heraus – du arbeitest mit der Kraft deines eigenen Körpers und trainierst Beweglichkeit und Kontrolle zugleich.
Das Ergebnis ist nicht nur mehr Flexibilität, sondern auch: spürbar weniger Schmerzen, bessere Gelenkschmierung, mehr Energie und Leichtigkeit im Alltag.
Wer sie regelmäßig übt, spürt oft schon nach wenigen Wochen:
Der Körper fühlt sich wieder „frei“ an – so wie bei einem Tier, das sich selbstverständlich in jede Richtung bewegen kann.
In gewisser Weise bringen uns die Engpassdehnungen also ein Stück unserer natürlichen Beweglichkeit zurück – jene Beweglichkeit, die Affen nie verloren haben.
Fazit: Beweglichkeit ist Leben
Affen haben keine Arthrose, weil sie so leben, wie der menschliche Körper ursprünglich gedacht war: in Bewegung, in Vielfalt, in Freiheit.
Wir haben uns von dieser Natürlichkeit entfernt – und zahlen den Preis in Form von steifen, schmerzhaften Gelenken.
Doch die gute Nachricht ist: Wir können jederzeit zurückkehren.
Mit jedem bewussten Schritt, jeder Drehung, jeder Dehnung aktivierst du dein inneres „Affenprogramm“.
Bewegung ist wichtig – ja. Aber Beweglichkeit ist die wahre Quelle der Gesundheit.
Ein beweglicher Körper ist ein lebendiger Körper. Und:
Ein lebendiger Körper kennt keine Arthrose.




